Das Online-Glückspiel in Deutschland darf seit dem 1. Juli 2021 legal mit GGL-Lizenz betrieben werden. Im Internet tummeln sich aber weiterhin zahlreiche illegale Online Casinos mit geringem Spielerschutz. Laut investigativer BR-Recherchen könnte vielleicht ein Berliner Unternehmer für manche davon verantwortlich sein. Im Fokus die Firma “SoftSwiss”: Diese präsentiert sich nach außen zunächst einmal einfach als ein IT-Unternehmen der iGaming-Branche. Zu ihren Produkten gehört eine vielseitige Online Casino Software sowie Aggregator-Lösung für das virtuelle Glücksspiel.
Handelts es sich um illegale Online Casinos mit SoftSwiss Software?
Die Firma “SoftSwiss” präsentiert sich nach außen zunächst einmal einfach als ein IT-Unternehmen der Glücksspielindustrie. Hinter dem auf Malta sitzenden Software-Entwickler steht ein Geschäftsmann aus Deutschland mit belarussischen Wurzeln, der in Berlin lebt, sich gern als Technologieunternehmer in Szene setzt und in Podcasts zu Interviews bereit ist.
Der Bayerische Rundfunk (BR) hat recherchiert, dass “SoftSwiss” mit seinem Firmengründer möglicherweise im Hintergrund vieler illegaler Online Casinos Deutschland stehen, die sich demzufolge an deutsche Spieler richten, hierzulande jedoch über keine offizielle Glücksspiellizenz verfügen.
Hinweise hierfür liefert eine Datenauswertung von verfügbaren Online Casino Webseiten in Deutschland seitens des Bayerischen Rundfunks. Dabei stellten die Reporter ein breites Firmengeflecht fest, das sich über Malta, Zypern und die Karibikinsel Curaçao erstreckt. Daraus lassen sich unmittelbare Verquickungen zwischen dem Softwareanbieter und den unerlaubten Online Casinos ableiten.
Betreiber auf Malta und Curaçao
Im Rahmen der Nachforschung sichtete das BR-Team die Angaben im Impressum Hunderter illegaler Online-Glücksspielanbieter und konnte Reihe Internet-Casinos dingfestmachen, die vermutlich mit “SoftSwiss” und ihrem Inhaber verbunden sind. Betrieben werden diese Glücksspielportale den Impressumsangaben zufolge von zwei verschiedenen Firmen: Der maltesischen N1 Interactive Limited (u.a. Betamo, Spinia und Betchan) sowie der auf Curaçao ansässigen Dama N.V. (King Billy, Bitstarz und Jeetcity).
Mit den komplexen Firmenstrukturen könnten Besitzer verborgen oder Steuern hinterzogen werden, erklärt Konrad Duffy, Experte für Geldwäsche bei Finanzwende e.V.: „Wenn solche komplexen Firmenkonstrukte aufgestellt werden, dann hat das einen Grund. Da geht es wahrscheinlich um richtig viel Geld.”
Dass beide Gesellschaften möglicherweise in irgendeiner Weise mit “Softswiss” und ihrem Gründer verbandelt sind oder in jüngster Zeit waren, belegen diverse Dokumente. Darunter registrierte Domains, Auszüge aus dem Firmenregister sowie auch Gerichtsdokumente.
(Screenshot vom 28.11.24 © softswiss.com)
SoftSwiss erklärt auf seiner Hoimepage: Wir bieten eine vertrauenswürdige und zuverlässige Grundlage für den Start einer iGaming-Marke. Wir bieten zertifizierte iGaming-Softwareprodukte an, die die Anforderungen mehrerer nationaler Regulierungsbehörden erfüllen. Da wir selbst über eine Reihe von Glücksspiellizenzen verfügen, bieten wir auch White-Label-Lösungen aus einer Hand für den Aufbau eines Online-Casinos oder eines Sportwettengeschäfts an.st.
Der Glücksspielexperte Tobias Hayer von der Bremer Universität ist mit solchen illegalen Angeboten vertraut, wie er in einem Interview mit dem BR sagt: „Nicht-lizenzierte Casinos lockten mit enormen Gewinnen, es gebe oft keine Einzahlungslimits – theoretisch können die Spieler also unbegrenzt viel zocken. Das führe potenziell zu noch höherer Suchtgefahr als bei legalen Seiten. Zudem falle oft kein gravierender Unterschied zu hierzulande erlaubten Glücksspiel-Websites auf. Viele Spieler wüssten oft nicht, dass sie auf nicht-lizenzierten Seiten spielen, so Hayer – doch damit machen sie sich häufig strafbar.”
„Zudem müssen Betreiber von Online-Casinos laut Glücksspielstaatsvertrag technische Mittel nutzen, um Spieler zu schützen. Mit dem bundesweiten Glücksspielsperrsystem OASIS können sich Spielsüchtige selbst bei allen lizenzierten Glücksspielanbietern sperren lassen. Doch auf illegalen Seiten können Spielsüchtige einfach weiter zocken.”
Zusammenhänge mit Wirecard und Millionensummen
Wie hoch die Summen sind, lässt sich an einem Überweisungsbeleg aus dem maltesischen Handelsregister ablesen. Aus diesem geht hervor, dass die Casinofirma N1 Interactive Ltd. der Dama N.V. in Curaçao bereits im März 2022 einen Betrag von zwei Millionen Euro überwiesen hat. Das Kontoguthaben von N1 Interactive wird auf demselben Auszug mit über sieben Millionen Euro genannt. Dem BR vorliegende Unterlagen der in Insolvenz geratenen Wirecard-Bank von 2020 führen “SoftSwiss” als Kunden auf.
Das Unternehmen steht in Verbindung mit einer vermeintlichen früheren Firma der Dama N.V., welche in der Vergangenheit einer der größten Umsatzbringer der Wirecard-Bank war. Nach den Unterlagen soll das Unternehmen 2018 Zahlungsvorgänge im Wert von rund 61 Millionen Euro mithilfe von Wirecard getätigt haben. Weitere Firmen des maltesischen und zypriotischen Firmengeflechts unterhielten ebenfalls Firmenkonten bei Wirecard. Von genau diesen Unternehmen hat der frühere Wirecard-Manager Jan Marsalek im Jahr 2020 angeblich eine persönliche Umsatzberichterstattung veranlas
Hinweise auf “SoftSwiss” durch Google Werbeanzeigen
Werbung liefert weitere Anhaltspunkte für die vermutete Verflechtung zwischen Dama N.V. und “SoftSwiss”. ” Anscheinend ist die Software-Firma im vergangenen Sommer über Anzeigen bei Google gezielt auf Mitarbeitersuche gegangen. Aus dem Werbetransparenzregister von Google geht hervor, zu welchem Zeitpunkt diese Anzeigen von Dama N.V. stammen. Mit anderen Worten: Der auf Curaçao sitzende Online-Casino-Anbieter gab die Stellenanzeigen mutmaßlich bei dem Technologieanbieter in Auftrag.
Weiter wurde bekannt, dass offenbar die URL eines Online Casinos, welches Dama betreibt, anfangs mit der E-Mail-Adresse von “SoftSwiss” eingetragen wurde – und zwar auf den Vornamen des Firmengründers. Laut Angaben von BR blieben Anfragen an das Unternehmen bislang ohne Antwort. Grundsätzlich besteht die Unschuldsvermutung.
Der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) seien schon vor einigen Monaten entsprechende Erkenntnisse über “SoftSwiss” vorgelegt worden, heißt es von verschiedenen Seiten gegenüber dem BR. Zu einzelnen behördlichen Verfahren könne man sich aber nicht äußern, heißt es bei der Glücksspielbehörde GGL dazu in einer Stellungnahme. Eine deutsche Lizenz sei für “SoftSwiss” nicht vorhanden und auch nicht zur Zeit in Bearbeitung. Zur Frage, inwieweit strafrechtliche oder polizeiliche Ermittlungen laufen, machen die zuständigen Behörden keine Angaben. Von Deutschland aus sind die Online Casinos nach wie vor zugänglich.
(Screenshot vom 28.11.24 © softswiss.com)
Es wird auf der SoftSwiss Seite auch darauf hingewiesen in Deutschland als mutmaßlich erlaubter Aggregator zu operieren.
Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen meldet sich zu Wort
Der Sucht- und Drogenbeauftragter der Bundesregierung spricht sich für größere behördliche Befugnisse aus. Der Suchtbeauftragte der Bundesregierung, Burkhart Blienert (SPD), plädiert in einem BR-Interview für eine wirksamere Unterdrückung des illegalen Glücksspiels. Ziel sollte es seiner Meinung nach sein, die zuständigen Vollzugsbehörden mit den notwendigen Ressourcen und Kompetenzen zu versehen. Denn es gebe einen juristischen Disput darüber, inwieweit deutsches Strafrecht in Bezug auf Glücksspielanbieter aus dem Ausland durchsetzbar sei.
Der Suchtbeauftragte der Bundesregierung Burkhart Blienert (SPD) erklärt: „Dafür müssen wir das Strafrecht erweitern, so dass unsere Staatsanwaltschaften auch gegen illegale Glücksspielangebote aus dem Ausland vorgehen können, die sich bei uns an die Spielenden richten”, sagte Blienert dem BR.
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